Seilbahn Wuppertal – Ein sinnvoller Beitrag zur Verkehrswende?

Tim Holthaus/ May 1, 2019/ Reisezeiten ÖV

*Bildquelle Titelbild: www.seilbahn2025.de-web.archive.

Zusammenfassung

  1. Die Abstimmung am 29.05.2019 bedeutet nicht, dass die Seilbahn zeitnah gebaut wird. Sofern die Abstimmung positiv ist, wird das Planfeststellungsverfahren eingeleitet, in dem die Machbarkeit geprüft wird. Dazu gehört auch die Abwägung der Interessen aller auf Grundlage des Planungs- und Entschädigungsrechts.
  2. Die Entwicklung einer leistungsfähigen Achse zwischen Hauptbahnhof und Schulzentrum Süd leistet einen Beitrag zur Verkehrswende.
    • Die Mitnahme von Fahrrädern, Kinderwagen und Rollatoren wird aufgrund der höheren Kapazität und der Gestaltung der Gondeln erleichtert.
    • Das Fahrrad wird auf der Achse zwischen W-Hauptbahnhof und W-Cronenberg zu einem weiteren nutzbaren Verkehrsmittel.
    • Auch Ronsdorf wird zukünftig besser mit dem Fahrrad an die Talachse angebunden.
  3. Durch die vom restlichen Verkehr unabhängige Trassierung ist die Fahrtzeit der Seilbahn zuverlässiger und besser planbar.
  4. Witterungsbedingte Ausfälle sind bei Windgeschwindigkeiten von > 100 km/h und starkem Gewitter möglich. Ausfälle durch Schnee und Eis hingegen nicht.
  5. In Summe ist von einer Verbesserung der mittleren Reisezeit für alle Nutzer auszugehen, wenngleich die Reisezeit in einigen Gebieten marginal schlechter wird.
    • Entstehen gravierende Verschlechterungen, kann z.B. mit einer Taktverdichtung oder durch den Einsatz von OnDemand-Verkehren nachgesteuert werden.
    • Die Reisezeit zwischen Haltestelle W-Cronenberg Rathaus und W-Hauptbahnhof ist marginal länger. Dafür steigt die Zuverlässigkeit bei widrigen Witterungsverhältnissen.
    • Die Reisezeit zum Campus Grifflenberg bleibt auf dem selben Niveau bzw. verbessert sich – je nach gewähltem Ziel am Campus Grifflenberg.
  6. Es fallen keine Bushaltestellen komplett weg.
  7. Der geschätzte Eigenanteil der WSW-mobil liegt bei rd. 23 Mio. € – inkl. Puffer für eine architektonisch städtebauliche Integration der Station am Hauptbahnhof.
    • Die Fördergelder der Seilbahn können im selben Umfang nicht für andere ÖPNV-Projekte (z.B. E-Busse) genutzt werden. Ferner ist die Nutzung der Gelder für ÖPNV-fremde Investitionen (z. B. Bau von Kindertagesstätten) nicht möglich.
    • Werden die Fördergelder nicht abgerufen, fließen diese in andere Projekte in anderen Städten.
  8. Es fallen keine Arbeitsplätze weg, sondern es wird einem Fahrermangel entgegen gewirkt.
  9. Bei steigenden Fahrgastzahlen in der Südstadt können weitere Zuläuferbusse eingesetzt oder Taktzeiten verkürzt werden.
  10. Barrierefreiheit: Die Gondeln bewegen sich in den Stationen, unabhängig von dem Umlaufseil, mit einer geringen Geschwindigkeit (15-25cm/Sek).
    • Zum Ein- und Ausstieg können die Gondeln auch komplett angehalten werden.
  11. Das gegenwärtige Buslinien-Konzept kann nur durch den vermehrten Einsatz von Bussen weitere Kapazitäten bereitstellen (Taktverdichtung). Zum Zeitpunkt der Entstehung (90er Jahre) existierten keine alternativen Verkehrsmittel, die die topografischen Gegebenheiten effizienter bedienen konnten.
    • Der Bau einer Seilbahn bedeutet zwar eine Neuorganisation des Linienkonzeptes, ermöglicht aber auch zukünftig nachhaltige Kapazitätssteigerungen.

Erläuterung

Während die Bevölkerung seit Anfang der 90er Jahre in Wuppertal rückgängig war, ist seit 2011 wieder ein Wachstum zu beobachten. Die Bevölkerungsprognose der Stadt Wuppertal weist für das Jahr 2025 rd. 366.500 Einwohner aus – ein Wachstum von rd. 5500 Einwohnern gegenüber 2018 (s. Abbildung unten).1 Zurückzuführen ist dieses Wachstum auf die steigende Attraktivität der Stadt (die Beschäftigtenanzahl in Wuppertal steigt seit Jahren), die steigenden Anzahl an Studierenden sowie auf die räumliche Nähe zu anderen Großstädten.

Entwicklung der Bevölkerung in Wuppertal. Daten aus https://www.wuppertal.de/db_statistik/index.phtml, abgerufen am 01.05.2019

Parallel ist zu beobachten, dass die Fahrgastzahlen im ÖPNV steigen (vgl. u.a. VDV Statistik-2017). Im Ergebnis kommen heutige ÖPNV-Systeme zukünftig an ihre Grenzen. Für einen zukunftsfähigen und attraktiven ÖPNV bedarf es alternativer Verkehrsmittel, die die begrenzte Ressource Fläche in der Stadt effektiv nutzen. Dabei gilt es im Einzelfall abzuwägen, welchen Beitrag zu einem qualitativ hochwertigen und leistungsfähigen ÖPNV ein Verkehrsmittel leisten kann.

Seilbahn ist Schlüsselprojekt in Strategieprozess der Stadt

Im Jahr 2013 wurde die Seilbahnachse zwischen Wuppertal Hauptbahnhof und Schulzentrum Süd als eines der 13 Schlüsselprojekte im Rahmen des Strategieprozesses Wuppertal 2025 aufgenommen. Kurz danach formierten sich die Bürgerinitiative Seilbahnfreies Wuppertal e. V. und die Initiative PRO-Seilbahn-Wuppertal e. V. . Sie dominierten die Diskussion, die insbesondere in den sozialen Medien auf große Resonanz stößt. Im Rahmen der Vorbereitung zur Abstimmung haben beide Initiativen ihre erarbeiteten Informationen zusammengefasst und auf ihren Internetseiten veröffentlicht. Teilweise werfen diese Informationen jedoch weitere Fragen auf, da dem Stand der Technik entsprechende Ergebnisse gutachterlicher Analysen verdreht oder missverständlich wiedergegeben werden.

Parallel zur Wahl des 9. Europäischen Parlaments findet bis zum 26.05.2019 in Wuppertal die Bürgerabstimmung zur Seilbahn statt. Die Entscheidung zu dieser Wahl traf der Rat der Stadt Wuppertal am 25.02.2019.

Im Rahmen meiner Vorbereitung zur geladenen Diskussionsrunde am 09.05.2019 – veranstaltet durch Radio Wuppertal – habe ich die Argumente für und gegen die Seilbahn analysiert und aufgearbeitet sowie eigene Gedanken zum Beitrag des Seilbahnsystems ergänzt. Aufgrund der Tatsache, dass ich kein Jurist bin lag mein Schwerpunkt auf den Themengebieten, die ich objektiv abhandeln kann.

Mein Ziel ist es, der kontrovers geführten Debatte eine objektive Sichtweise hinzuzufügen. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass einige Argumente und Fragestellungen zum gegenwärtigen Planungsstand nicht in ausreichender Tiefe diskutiert bzw. beantwortet werden können. Die dazu notwendige Grundlage wird im Rahmen der Planfeststellung erst erarbeitet.

Effizienz gebrochener ÖPNV-Systeme

Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) in Wuppertal war schon immer besonders. Durch den Bau der Schwebebahn wurde bereits um 1905 eine hochleistungsfähige Achse im Tal geschaffen. Später wurden Busse und Straßenbahnen ergänzt, wobei die Straßenbahn durch die Einführung der S-Bahnen im Jahr 1988 ihre Funktion verlor. Die Schwebebahn blieb bekanntermaßen erhalten. Heute befördert sie täglich bis zu 80.000 Fahrgäste. Aufgrund der steilen Nord- und Südhöhen wurden Busse immer mehr auf Nord-Süd-Achsen als Zuläufer zur Schwebebahn eingesetzt. Eine Reise mit dem ÖPNV in Wuppertal ist deswegen in den meisten Fällen eine Wegekette über die verschiedenen ÖPNV-Verkehrsmittel.

Der Vorteil dieses Zubringer-Systems ist, dass die einzelnen Linien effizient geplant und so unnötige Kosten vermieden werden. Der Nachteil ist, dass vermehrt umgestiegen werden muss und so z.T. Anschlüsse nicht erreicht werden können. Aufgrund der von anderen Verkehrsteilnehmern unabhängigen Trassierung der Schwebebahn, sind ihre Fahrtzeiten stabil. Bei der Erstellung der Fahrpläne können somit die Anschlüsse an das Busliniennetz im Nachlauf – also nach der Nutzung der Schwebebahn – gut geplant werden. Bei einem Umstieg aus einem Zubringerbus in die Schwebebahn sorgen die hohe Fahrtfrequenz der Schwebebahn hingegen für eine geringe Wartezeit.

Großstädte machen es vor

Die genannten Nachteile (u.a. vermehrtes Umsteigen) eines gebrochenen ÖPNVs werden oft durch die Vorteile kompensiert. So ist es bei der Schwebebahn, aber auch in anderen Großstädten zu beobachten (z. B. der S-Bahn-Ring in Berlin). Durch den Einsatz der jeweils effizientesten Lösung für jede ÖPNV-Achse, können Kosten eingespart, die Reisezeit verringert und die Qualität des ÖPNVs insgesamt verbessert werden (mehr Kapazitäten zur Mitnahme von Fahrrädern, Kinderwagen, etc.). Letzteres ist notwendig, um die EU-weit angestrebte Reduktion von Treibhausgasen zu erreichen und dabei die Mobilität aller Menschen nicht einzuschränken. Eine Verkehrswende ohne zukunftsfähigen ÖPNV wäre nicht möglich.

Ein Umweltverbund für die Zukunft

Wuppertal ist eine sogenannte “Bandstadt”. Daher wäre die Bildung von Ringen mit einem hochleistungsfähigen ÖPNV-System (z. B. S-Bahn-Ring) nicht effizient. Zudem liegt Wuppertal – wie der Name bereits sagt – in einem Tal. Durch diese topologischen Gegebenheiten existieren somit besondere Anforderungen an das ÖPNV-System:

  • Schnee und Eis haben Einfluss auf die zuverlässige Erreichbarkeit der Nord- und Südhänge und
  • die entsprechenden Steigungen erhöhen den Energiebedarf.

Ohne den Einfluss der Steigung hat z.B. ein Elektrobus eine Normreichweite von 150 bis 300 km – je nach gewähltem Modell. Durch Einschalten der Heizung kann die Reichweite halbiert werden.2 Ebenso reduziert sich die Reichweite im Einsatz auf steilen Strecken.

Zur Vorstellung: Ein Umlauf der Linie 645, also die komplette Befahrung von der Starthaltestelle zur Endhaltestelle und zurück, ist rd. 40km lang. Der Zeitbedarf ohne Pause liegt bei rd. 1h 36Min. Wird von einer realistischen Reichweite von rd. 150km ausgegangen, so kann ein Elektrobus theoretisch fünf Umläufe fahren. Dies entspricht etwa einer Schicht. Für die neue Schicht müsste ein neues Fahrzeug eingesetzt werden. Infolgedessen erhöht sich auch die Anzahl der benötigten Fahrzeuge im Fuhrpark.

Elektrisch ist noch teuer

Ein Elektrobus kostet rd. 400.000 bis 560.000€3 und ist damit doppelt bis dreimal so teuer wie ein vergleichbarer Dieselbus. In Zukunft ist von einer Reduktion der Kosten und mit einer höheren Stabilität der Reichweiten bei E-Bussen auszugehen. Die systembedingten Nachteile, wie hohes anzutreibendes Leergewicht und hoher Personaleinsatz, bezogen auf die Anzahl beförderter Menschen bleiben genauso bestehen, wie die Vorteile: Busse sind flexibel einsetzbar und haben einen geringeren Halteabstand.

Ein geringer Halteabstand führt zu einer guten Erreichbarkeit des ÖPNV-Systems, aber auch zu einer geringeren durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit. Die ÖPNV-Qualität ergibt sich neben der Erreichbarkeit von Zugangspunkten zum ÖPNV-System auch aus der Zuverlässigkeit und der Reisegeschwindigkeit. Gebrochene ÖPNV-Systeme (s.o.) kombinieren die Vor- und Nachteile aller ÖPNV-Verkehrsmittel. Während die Seilbahn eine zuverlässige Permanentförderung bietet, können die Zubringerlinien mit E-Bussen bedient werden. Alternativ bietet sich zukünftig der Einsatz von OnDemand-Verkehren für die erste und letzte Meile an.

Verkehrswende – und zwar für Alle!

Ziel der Stadt Wuppertal ist es, den Radverkehrsanteil bis 2025 zu erhöhen.4 In der Talachse ist mit der Nordbahntrasse bereits eine attraktive Achse für den Radverkehr entwickelt worden, die nicht nur einen hohen Freizeitwert, sondern auch einen alltäglichen Nutzen aufweist (Berufspendlerverkehr). Ergänzt wird die Nordbahntrasse u.a. durch den Wupperradweg (neue ufer wuppertal e. V.). Stadtteile wie Ronsdorf oder Cronenberg sind jedoch aufgrund der Steigungen nur schlecht mit dem Fahrrad aus der Talachse erreichbar. Während Wege, die talabwärts gerichtet sind, einfach mit dem Fahrrad befahren werden können, sind Wege hangaufwärts meist nur durch die Kombination des Fahrrads mit dem ÖPNV attraktiv zu gestalten. In einem Gelenkbus können maximal sechs Fahrräder mitgenommen werden – wenn kein Rollstuhl oder Kinderwagen befördert wird. Hochgerechnet auf eine Stunde, bei einem Takt von 20 Minuten, bedeutet dies, dass eine Linie 18 Fahrräder/h transportieren kann.

Die minimale Taktfolge der Seilbahn-Gondeln liegt bei 32Sek, wobei eine Gondel rd. 35 Personen befördern kann.5 Selbst wenn in jeder Godel nur ein Fahrrad mitgenommen werden könnte, könnten in neun Minuten so viele Fahrräder transportiert werden, wie mit einer Buslinie in einer Stunde. Vom Schulzentrum Süd aus kann die Sambatrasse gut mit dem Fahrrad erreicht werden und bietet eine gute Infrastruktur bis nach W-Cronenberg.

Mangel an Berufskraftfahrern

Seit einigen Jahren fehlt es an Nachwuchs bei den Berufskraftfahrern (z.B. in Potsdam6).
Um in Zukunft einen leistungsfähigen ÖPNV anbieten zu können, muss der Beruf des Berufskraftfahrers attraktiver gestaltet werden. Bezogen auf die oben erwähnte Entwicklung der ÖPNV-Fahrten (vgl. auch VDV Statistik 2017), wird sich der Fahrermangel noch stärker auf die Qualität im ÖPNV auswirken. Die Gefährdung von Arbeitsplätzen im ÖPNV durch den Bau einer Seilbahn wirkt somit dem Fahrermangel entgegen.

Autonome Schwarmmobilität – ÖPNV-Kannibalisierung oder Lösung?

In den letzten Jahren wird vermehrt die autonome Schwarmmobilität als Lösung der Verkehrs- und Energieprobleme angeführt. Aber was bedeutet autonome Schwarmmobilität? Welche Auswirkungen hat diese auf den Energiebedarf? Und wie sozial verträglich können autonome Systeme sein?

Autonome Schwarmmobilität beschreibt den Einsatz von selbstfahrenden, meist elektrisch betriebenen Fahrzeugen in einem vernetzten System. Das bedeutet vereinfacht dargestellt, dass immer bekannt ist, wo sich welches Fahrzeug im System befindet und wie viele Personen mit welchen Fahrtzielen in dem Fahrzeug sitzen. Über Schnittstellen (z.B. Apps) können, ähnlich wie bei Uber oder der Mytaxi-App, Ziele und Abfahrtszeitpunkt gewählt werden. Diese Meldung geht an ein zentrales System, dass die Anfragen aller Nutzer bündelt und die Fahrzeuge hinsichtlich der Auslastung an Fahrgästen optimal einsetzt. Anhand der bekannten Position und der zu fahrenden Route der Fahrzeuge wird anschließend das Fahrzeug ausgewählt, dass die gesendeten Fahrtwünsche kostenoptimal bedienen kann.

Die Digitalisierung – kein Allheilmittel

Durch die eingesetzten Algorithmen zur Routenoptimierung wird ein höherer Fahrzeugbesetzungsgrad – also Sitzplätze im Fahrzeug besetzt sind – als bei privaten Pkws erreicht. Nutzen alle Menschen ein solches System anstatt der privaten Fahrzeuge und wird der ÖPNV abgeschafft, gehen Studien davon aus, dass die Anzahl der Pkws in einer Stadt auf 1/10 reduziert werden kann. Eine Reduktion der Fahrleistung hingegen ist nicht absehbar – im Gegenteil. Die Fahrleistung wird durch den Einsatz von autonomer Schwarmmobilität zunehmen. Besonders in Wohngebieten (s. Abbildung unten). Zurückzuführen ist die Fahrleistungszunahme u.a. auf den Wegfall der hohen Bündelung an Personenwegen im ÖPNV (in einen Bus passen rd. 60 Menschen) und darauf, dass Wege nunmehr direkt vor der Haustür anstelle an der Haltestelle beginnen.7

Neben der Fahrleistungszunahme stellt sich die Frage nach dem Betreiber eines solchen Systems. Das deutsche ÖPNV-System ist weltweit einzigartig und ermöglicht jedem Bürger – egal ob arm oder reich – in Deutschland seine Mobilitätsbedürfnisse zu erfüllen.

Wie sozial sollen unsere Mobilitätslösungen sein?

Die Einführung von autonomen Fahrzeugen in das existierende ÖPNV-System sollte deswegen einer Strategie folgen, die den Erhalt der sozial gerechten Mobilität ermöglicht. Werden autonome Systeme nicht in den bestehenden ÖPNV integriert, sondern parallel von privaten Marktteilnehmern betrieben, besteht die Gefahr der Kannibalisierung – also der Zerstörung des ÖPNV-Systems. Im Ergebnis würde ein System entstehen, dass den reinen betriebswirtschaftlichen Erfolg fokussiert und sich nicht an der Daseinsvorsorge orientiert. Nachfrageabhängige Preise in aufkommensstarken Zeiten (s. z.B. UBER) sind u.a. die Folge.
Autonome Verkehre in Form von OnDemand Verkehren hingegen können die Qualität in einem ÖPNV-Systemen verbessern. Je nach technologischer Entwicklung könnten so nach der Inbetriebnahme der Seilbahn autonome OnDemand-Verkehre Defizite aufheben. Diese Nachsteuerung ist aber durch den Einsatz von z.B. E-Bussen möglich, wenn autonome Systeme nicht marktreif sind.

Fahrtzeit ist nicht gleich Fahrtzeit

Real gemessene Fahrtzeiten von 6 Min zwischen W-Hauptbahnhof und Campus Grifflenberg mit dem Bus mögen zwar vorkommen, sind aber aus eigener Erfahrung kein repräsentativer Wert. Die Fahrtzeit wird von vielen Faktoren beeinflusst: Anzahl der Zwischenhalte, Anzahl an zusteigenden Personen, Verkehrslage, usw.. Reale Messungen unterliegen deswegen strengen Vorschriften. Regelkonform ermittelte Werte fließen in die Fahrplanerstellung ein.

Ohne Angaben über die Messdauer, den Messtag und die Messmethodik sind gemessene Fahrtzeiten nicht belastbar. Deshalb sollte für einen seriösen und belastbaren Vergleich beider Planstände (mit und ohne Seilbahn) auf den Fahrplan zurückgegriffen werden.

Mit der Seilbahn schneller oben

Die u.g. Fahrplan-Fahrtzeiten vom W-Hauptbahnhof bis zum Haupteingang am Campus Gifflenberg wurde für Donnerstag, den 02.05.2019, Ankunft Haupteingang Campus Grifflenberg 8:00 Uhr am 30.04.2019 über die VRR Fahrplanauskunft abgerufen. Der Haupteingang ist ein zentraler Ort am Campus Grifflenberg.

  • E800: 12Min (7Min ab Haltestelle Historische Stadthalle)
  • E860: 13Min (8Min ab Haltestelle Historische Stadthalle)

Selbst bei 4Min angesetzter Fahrtzeit mit der Seilbahn zwischen W-Hauptbahnhof und Station Universität ergibt sich bis zum Haupteingang eine Reisezeit von rd. 9Min.

Wird der derzeitige Fahrplan genauer betrachtet, ist ersichtlich, dass der UniExpress um 08:07 Uhr ab W-Hauptbahnhof fährt. Mit dieser Verbindung erreichen die Studierenden den Beginn der meisten Vorlesungen (08:15 Uhr) nicht rechtzeitig, somit ist die in der Öffentlichkeit diskutierte geringe Auslastung dieser Fahrt wenig überraschend. Um die Vorlesung rechtzeitig erreichen zu können, werden andere Buslinien (615, 645) genutzt. Hinzu kommt, dass die o.g. Fahrtzeiten nicht zu jeder Uhrzeit vom UniExpress erreicht werden, weil dieser teilweise ab der Haltestelle Historische Stadthalle startet. Somit muss der Zeitbedarf für den nicht überdachten und nicht ebenen Fußweg vom Hauptbahnhof zur Haltestelle Historische Stadthalle hinzugefügt werden.

Attraktive Standorte brauchen einen attraktiven ÖPNV

Wird das Wachstum der Bergischen Universität in den letzten Jahren betrachtet – heute studieren und arbeiten rd. 25.000 Menschen dort – und die zukünftigen Wachstumspotenziale herangezogen, ist für eine angemessene Anbindung der Universität ein hochleistungsfähiger ÖPNV notwendig. Die in den letzten Jahren stattgefundene Taktverdichtung in den Hauptstoßzeiten, hat die Mobilitätsprobleme zwar gemindert, aber nicht gelöst. Auch in den Semesterferien besteht der Bedarf nach einem leistungsfähigen ÖPNV-System. Denn: Es finden Prüfungen und die dazu notwendigen Vorbereitungen (Bibliothek, Lerngruppen) statt. Zusätzlich ist zu beachten, dass die Infrastruktur der Universität immer mehr in den Mittelpunkt öffentlich-kultureller und wissenschaftlicher Veranstaltungen rückt. Diese finden meist außerhalb der Vorlesungszeiten statt. Zeiten, in denen u.a. die Expressbusse nicht im Einsatz sind. Durch die Seilbahn-Anbindung des Campus Grifflenberg rückt dieser aus zeitlicher Sicht in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof und kann im städtisch-kulturellem Leben besser integriert werden.

Reisezeit mit Seilbahn gleich auf. Der Takt bringt die Qualität

Wird die Relation Haltestelle W-Cronenberg Rathaus zum W-Hauptbahnhof betrachetet wird gegenwärtig eine planmäßige Reisezeit von 21 Minuten benötigt und entspricht damit der fahrplanmäßigen Fahrtzeit der Linie CE64 (VRR Fahrplanauskunft). Nach Einführung der Seilbahn ergäbe sich eine planmäßige Reisezeit von ca. 22 Minuten (je nach Umsteigezeiten ggf. 25 Minuten) die sich wie folgt zusammensetzt:

  • 11 Minuten mit CE64 von der Haltestelle W-Cronenberg-Rathaus bis zum Schulzentrum Süd (die Linie CE64 wird zukünftig nach der Haltestelle W-Hahnerberg das Schulzentrum Süd anfahren. Fahrtzeit ca. 2 Minuten)
  • 2 Minuten Umsteigezeit am Schulzentrum Süd
  • 9 Minuten Fahrtzeit vom Schulzentrum Süd bis zum Hauptbahnhof

Damit ist die Relation unter Nutzung der Seilbahn zwar marginal langsamer als die Direktfahrt mit den Linien CE64 und CE65. Durch die unabhängige Trassierung der Seilbahn vom restlichen Verkehr sind keine Verspätungen zu erwarten. Zudem ist die Anschlusssicherheit auch bei einer Verspätung der Linien CE64 und CE65 gewährleistet. Im Winter bietet sich darüber hinaus der Vorteil, dass die von Bussen aufgrund von Schnee und Eis zum Teil schwer zu bewältigten Steigung mit der Seilbahn überwunden werden. Somit wird auch dann eine ÖPNV-Anbindung der Südhöhe gewährleistet.

Förderung ist nur für den Bau der Seilbahn

Erst seit 2012 können Seilbahnen als ÖPNV-Infrastrukturmaßnahme in NRW gefördert werden.

Die Gesamtkosten der geplanten Seilbahn belaufen sich auf 88,9 Mio. €. Bei einem konservativ geschätzten Fördersatz von 75 % (aus GVFG-Mittel) beläuft sich der Eigenanteil der WSW auf rd. 22,3 Mio. €. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit einer Förderung bis zu 90 % (vgl. §13 ÖPNVG NRW i.V.m. Kapitel 8.3 der Abgrenzungsrichtlinie zu § 13 ÖPNVG NRW), wobei die Quote bei den Baukosten höher als bei den Planungskosten ist.

Die Förderung mit Mitteln aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) des Bundes bzw. des Landes ist abhängig von dem gesamtwirtschaftlichem Nutzen-Kosten-Verhältnis (Indikator E1) – dem Ergebnis der Standardisierten Bewertung. Bei der geplanten Seilbahn beträgt der Nutzen-Kosten-Verhältnis 1,8. Ein Verhältnis von 1,8 bedeutet, dass bei einem Einsatz von einem Euro ein Nutzen von 1,8 Euro erwirtschaftet wird. Ab einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,0 erfüllen das Gebot der Wirtschaftlichkeit nach §7 Bundeshaushaltsordnung. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens findet eine Aktualisierung der Standardisierten Bewertung statt.

Prallele Achsen werden nicht gefördert

Ferner ist eine Förderbedingung, dass keine Doppelbedienungen auf einer Achse stattfinden. Aus diesen Gründen werden Buslinien parallel zur Seilbahn ausgedünnt bzw. gestrichen. Innerhalb des Abwägungsprozesses unterstützen Modelle und empirische Datengrundlagen, die Rückschlüsse auf die Nachfrage bestimmter Relationen zulassen, da der ÖPNV-Zugang auch auf parallelen Achsen der Nachfrage entsprechen leistungsfähig erhalten bleiben soll. Etwaige Nachsteuerungen durch übermäßige Kürzungen sind jedoch ggf. notwendig. Aufgrund des, für ÖPNV-Projekte, hohen Nutzen-Kosten-Verhältnisses sind für solche Nachjustierungen Puffer vorhanden.

Die geplanten Gelder sind Projektgebunden und können in dieser Größenordnung nicht in andere ÖPNV-Projekte (z.B. Einsatz von E-Bussen) fließen.

(hol)

Bei Fragen, Anmerkungen und Anregungen nutzen Sie bitte das Kontaktformular oder die Kommentarfunktion.

  1. Stadt Wuppertal – Statistikstelle. Bevölkerungsprognose. Abgerufen über https://www.wuppertal.de/db_statistik/zentral2.phtml?param=prog1 am 01.05.2019
  2. Next Mobility. Elektrobusse im Winter – Berechtigte Zweifel?. Abgerufen über https://www.next-mobility.news/elektrobusse-im-winter-berechtigte-zweifel-a-790025/ am 01.05.2019
  3. FOCUS MAGAZIN. Heizung an, Beschleunigung aus. Trierer Elektrobus macht im Winter schlapp. Abgerufen über https://www.focus.de/auto/elektroauto/stolz-der-flotte-kostete-560-000-euro-heizung-an-beschleunigung-aus-trierer-elektrobus-macht-im-winter-schlapp_id_10176335.html am 01.05.2019.
  4. Stadt Wuppertal. Moderne Urbanität: Wuppertal als Fahrradstadt. Abgerufen über https://www.wuppertal.de/microsite/wuppertal2025/fahrradstadt/fahrradstadt.php am 01.05.2019
  5. WSW mobil Gmbh. Linienführung, Stützenstandorte und Trasse. Abgerufen über http://www.seilbahn2025.de/strecke.html – web.archive am 01.05.2019
  6. Märkische Allgemeine. Fahrermangel: Busausfälle in Brandenburg. Abgerufen über http://www.maz-online.de/Brandenburg/Busse-fallen-aus-wegen-Fahrermangels-in-Brandenburg am 01.05.2019
  7. International Transport Forum. Urban Mobility System Upgrade: How Shared Self-Driving Cars Could Change City Traffic. Abgerufen über https://www.itf-oecd.org/sites/default/files/docs/15cpb_self-drivingcars.pdf am 01.05.2019
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